Crazy Canucks!

Die Crazy Canucks waren eine Gruppe kanadischer Skirennläufer die ab Mitte der 1970er Jahre große Erfolge in den Abfahrtsrennen im Skiweltcup erzielten. Ebenfalls crazy, bizarr, schräg, extrem ungewöhnlich – auf englisch würde man sagen «weird» - war das Geschehen bei den Vancouver Canucks in der letzten Woche. Jetzt aber der Reihe nach:

Das Fundament für diese «crazy» Woche hat der Canucks President of Hockey Operations, Jim Rutherford, bereits zu Beginn der Saison gelegt, als er nach nur wenigen Spielen die Fitness, resp. das Training in den Camps bemängelte; ein Schlag ins Gesicht des Coaching Staffs. Blenden wir zurück: Die kriselnden Vancouver Canucks trennten sich während der letzten Saison von Travis Green und verpflichteten Bruce Boudreau als Headcoach. Mit Boudreau gelang eine erstaunliche Aufholjagd Richtung Playoffs, am Schluss fehlten nur gerade 2 Punkte. Boudreau war einer der Baumeister dieses «Turnaround», als Coach und als Persönlichkeit geachtet, respektiert und beliebt bei den Spielern und Fans.

Die Canucks haben es aber im Sommer verpasst, das Team sinnvoll zu verstärken, vor allem adäquate Defensivverteidiger fehlten im Kader und fehlen noch immer; zudem ist der No.1 Goalie Thatcher Demko seit anfangs Dezember verletzt. Bei der Sommeranalyse wurde offensichtlich übersehen, dass die Canucks unter Boudreau über Wert gespielt haben. Der Leistungssprung war nicht nachhaltig. Stattdessen wurde der als Person umstrittene J.T. Miller mit einer exorbitanten, fetten Vertragsverlängerung ausgestattet, der die Canucks-Payroll in der Altersspanne 30-36 – in einer Phase der Karriere, in der das Leistungsniveau eines Powerforwards in der Regel klar sinkt - mit 8 Mio pro Saison belasten wird. Viele Experten wunderten sich. Umgekehrt haben es die Canucks verpasst, ihren respektierten Captain, Bo Horvat, längerfristig zu binden, so dass es jetzt sehr klar ist, dass Horvat noch vor Ablauf seines Vertrages getradet wird, resp. getradet werden muss, wollen die Canucks Ende Saison in der «Causa» Horvat nicht völlig mit leeren Händen dastehen; er wird «Unrestricted Free Agent». 

Die Krönung der «Crazyness» erfolgte dann letzte Woche. Nachdem Indiskretionen zu Tage gebracht haben, dass ausser Elias Pettersson offensichtlich alle Spieler als Tradekandidaten in Frage kommen, kündigte Jim Rutherford in einer äusserst ungewöhnlichen Pressekonferenz so genannte Major-Trades an. Zugleich vermeldete er, dass er mit Coachingkandidaten gesprochen habe. Eine unglaubliche Situation für das Team der Vancouver Canucks: Da bereiten sie sich in der Kabine und im Training auf das nächste Spiel vor, im Wissen, dass einerseits ihr Coach gefeuert und ihr Captain getradet werden wird. Crazy! Versteht mich bitte nicht falsch: Dass der GM – oder im Fall der Canucks der President of Hockey Operations - ständig mit Agenten spricht, potenzielle Spieler evaluiert und sich auch für valable Coaching-Kandidaten interessiert ist völlig normal, dies gehört zu den Hausaufgaben eines jeden GMs; er sollte für fast alle Eventualitäten immer einen «Plan B und C» in Hinterhand haben. Dass dies aber in aller Öffentlichkeit geschieht und damit die Würde, den Stolz und die Autorität des Coaching-Staffs und des Teams untergräbt, dies ist sehr ungewöhnlich und meiner Meinung nach unpässlich.

Nur wenige Tage danach war es dann so weit: Boudreau wurde entlassen und durch Rick Tocchet ersetzt. Dies bedeutet, dass die Canucks aktuell drei Headcoaches (Travis Green, Bruce Boudreau und Rick Tocchet) mit insgesamt 7.5 Mio auf der Payroll stehen haben, crazy schon wieder. Die Meinungen zu Tocchet sind etwas geteilt, hingegen verspreche ich mir sehr viel vom ebenfalls neu engagierten Sergei Gonchar als Defensemen-Development Coach. In Pittsburgh hat er in ähnlicher Funktion sehr viel Positives bewirkt. Immerhin, das erste Spiel unter Tocchet wurde gegen die schwachen Chicago Blackhawks gewonnen.

Zurück zu den Vancouver Canucks: Die Fans liebten Boudreau und es war keinesfalls so, dass sie Druck auf eine Trainerentlassung machten, im Gegenteil: «Bruce there is» Transparente und Sprechchöre hallten auch nach der jüngsten Niederlage gegen die Edmonton Oilers durch die Rogers Arena. Wie bereits angesprochen, genoss Boudreau bei den Spielern höchsten Respekt, vor allem auch menschlich. Boudreau reagierte nach den Äusserungen von Rutherford emotional sichtlich bewegt, offensichtlich machte ihm dies alles sehr zu schaffen, verständlich wie ich meine. Nach der Entlassung sagte Boudreau, dass 15 Spieler zu ihm ins Coachingbüro gekommen sind und sie zusammen geweint haben; dies habe ich so noch nie gehört: Crazy! NHL-Eishockeyprofis: Harte Schale, weicher Kern? 

  


Thomas Roost

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost