Das Phänomen Boston Bruins

Die Boston Bruins führen die Tabelle im Osten mit komfortablem Abstand an. In 51 Spielen konnten sie 39 Siege verbuchen. Niemand hat diese Bruins Dominanz vor der Saison prognostiziert.

Die meisten Experten haben die Bruins im engen Kampf um die Playoffplätze gesehen, «am Ende werden sie es wohl noch einmal knapp schaffen, aber es wird sehr eng für die Bruins, deren Teamzyklus sich im Spätherbst der Leistungsfähigkeit befindet», dies war der Tenor in den Saisonvorschauen und dies war auch meine Meinung. 

Eines der ältesten Teams

Es gab gute Gründe für diese Einschätzung. Die Boston Bruins sind eines der ältesten Teams und auch der Nukleus – die Schlüsselspieler – sind im Schnitt deutlich über 30 Jahre alt. Der jüngere Teil dieses Nukleus (Pastrnak, Lindholm, McAvoy) ist ebenfalls bereits derart erfahren und in einem Alter, so dass auch bei diesen Spielern nicht mehr mit einer weiteren Leistungssteigerung gerechnet werden durfte.

Summa summarum: Die Bruins sind auf dem absteigenden Ast. Die Prospect Pipeline versprach auch keine kurzfristig namhafte Blutauffrischung und ganz wichtig: Der Nr. 1 Verteidiger Charlie McAvoy und der Starstürmer Brad Marchand mussten sich im Sommer operieren lassen und sind für gute Teile der ersten Saisonhälfte ausgefallen. Hinzu kam ein nicht überall verstandener Coachingwechsel vom erfolgreichen Bruce Cassidy zu Jim Montgomery, auch dieser Wechsel führte zur Befürchtung, dass Anlaufschwierigkeiten zu erwarten sind.

Ullmark outstanding

All dies hat den eh schon eher pessimistischen Vorhersagen weiter Nahrung gegeben. Ein schwacher Saisonstart war schon fast garantiert. Weit gefehlt: Die Bruins legten auch ohne McAvoy und Marchand einen Blitzstart hin. Goalie Ullmark spielt bis jetzt eine so genannte «Karrieresaison», er war noch nie so gut. Der 36-jährige Rückkehrer David Krejci hat sich «superschnell» und «supergut» wieder eingefügt und die Top-6-Forwardpositionen befeuert.

Auch die Rückkehrer aus ihren verletzungsbedingten Operationen haben das erfolgreiche Teamgefüge nicht verunsichert, sondern noch weiter stabilisiert und unausrechenbarer gemacht. Die Kritik am Headcoachwechsel ist schnell verstummt. Die erste Saisonhälfte der Boston Bruins war schlicht und einfach phänomenal!

Die Salärstruktur

Ein Phänomen ist auch ein vertiefter Blick auf die Salärstruktur bei den Bruins. Gute Teile ihrer Stars spielen deutlich bis sehr deutlich unter Marktwert und dies ganz bewusst, sie sind auch stolz darauf und Spieler wie der Provokateur Marchand machen sich auch immer mal wieder gerne lustig, z.B. über die Topsaläre der vergleichsweise weniger erfolgreichen Toronto Maple Leafs, die sehr «top heavy» daherkommen und darum für die Qualität der Ergänzungsspieler nur noch wenig Geld übrigbleibt.
Schauen wir das im Detail an: Marchand mit 6.1 Mio und Pastrnak mit 6.6 Mio: Klar unterbezahlt, Marchand müsste mindestens bei 8 Mio liegen und Pastrnak wird im neuen Vertrag sicher nicht unter 9-10 Mio zu haben sein. Auch Lindholm und Hall sind mit 6.5 resp. 6.0 nicht überbezahlt. Das diesbezügliche Sahnehäubchen ist aber das Salär der Nr. 1 und Nr. 2 Center Patrice Bergeron und David Krejci. Ich hole jetzt etwas aus: Unter Experten ist es die Mehrheitsmeinung, dass man ein Team um die Centerposition herum aufbaut. D.h. in aller Regel sind die Nr. 1 und Nr. 2 Center Starspieler mit Höchstsalären. Nicht so bei den Bruins: Der Nr. 1-Center Patrice Bergeron spielt in dieser Saison für nur gerade 2.5 Mio und der Nr. 2 Center David Krejci für 1.0 Mio! Macht zusammen: 3.5 Mio für die beiden ersten Centerpositionen im Total. Unglaublich! Ein Meisterwerk der Teppichetage in Boston und grossartiges Gespür der Topshots im Team betreffend so genannte «teamfriendly» Verträge; dies im Interesse der Kompetivität des Teams als Ganzes. Bergeron und Co. werden sich wohl sagen «mehr als 2 Kalbssteaks können auch wir nicht essen», «2 oder 3 Millionen mehr oder weniger verändert unsere Lebensqualität bei unserem Salärniveau nicht». Weise Gedanken.

Noch einmal zusammenfassend: Beim Dominator im NHL-Osten verdienen die beiden Nr. 1 und 2 Center zusammen 3.5 Mio. 3.5 Mio ist das durchschnittliche Salär in der NHL für einen Spieler, nicht für zwei zusammen… zudem sind Bergeron auch im hohen Alter mehr als nur Durchschnittsspieler. Die Boston Bruins, wahrlich ein Phänomen!  

  


Thomas Roost

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost