Text von Ueli Schwarz, Header-Fotos: Berend Stettler / Tom Hiller / Pierre Maillard
-
Während der Sesseltanz um den siebten Playoffplatz die SCL Tigers glücklich machte, spielt die Musik noch und Kloten sowie Ambri kämpfen um den achten und letzten Platz. Fribourg, Bern, Davos und Zug hingegen haben die aktuelle Woche wohl zum Erholen genutzt. Ihr Vorteil ist, dass sie bereits wissen, auf wen sie im Playoff-Viertelfinal treffen: Bern startet in die Best-of-Seven-Serie zu Hause gegen Fribourg, während es Zug zu Hause gegen Davos ebenso tun wird. Wir werfen einen Blick auf die beiden bevorstehenden Duelle.
Es ist ein Duell zweier Teams die man auch vor der Saison in den Viertelfinals erwarten durfte. Daher also rein vom Potential her grundsätzlich keine grosse Überraschung. Ihr Weg dahin konnte aber nicht unterschiedlicher sein. Während der SCB nach einem guten Start einen relativ problemlosen Saisonverlauf kannte, war das bei den Freiburgern ganz anders.
Beginnen wir mit einem kurzen Rückblick auf die bisherige SCB-Saison: Die zweite Tapola-Saison war geprägt von einer aufbauenden und wahrnehmbaren Fortsetzung seiner Arbeit. Das äußerte sich von außen betrachtet in zwei Auffälligkeiten: im weiter vollzogenen personellen Umbau des Kaders und in einer offensiv besseren Spielweise. Die Zuzüge der Saisonentdeckungen Czarnik (er kam ja erst, als Kossila den medizinischen Eintrittstest nicht bestanden hatte), Ejdsell und Merelä (später noch Klok, Aaltonen und Häman Aktell) haben dem Kader wesentlich mehr Offensivpotential zugeführt, und sie haben auch entsprechend abgeliefert.
Baumgartner, Lehmann (wenn er denn gesund war), Loeffel ab der Blauen Linie und gegen Ende Marchon haben in ihrem Sog viel kreiert, und so war die Last des Toreschießens auf viele Schultern verteilt. Einzig Bader und Kahun kamen punkto Offensive nie auf Touren – dazu aber später mehr. Zum personellen Umbau des Teams gehörten aber auch die Zuzüge von Klok (für den verletzten Lindholm), zuletzt Aaltonen (für den nach Lausanne abgewanderten Kahun) und Häman Aktell (bereits für kommende Saison) sowie der Trade Sablatnig/Schläpfer. Es zeigte sich deutlich, welche Spielertypen Tapola bevorzugt.
Physisch starke, intensive, schnelle, gradlinige Spieler mit ausgeprägtem Zweiwegdenken. Zauberer, Künstler, vorab technisch feine Spieler und Spektakelmacher sind bei ihm weniger gefragt. Gerade ein Bader und ein Kahun haben das deutlich zu spüren bekommen und erreichten kaum je das Niveau, das in ihnen steckte. Was es positiv zu erwähnen gibt, ist, dass in diesem Kaderbau durchaus auch Junge ihren Platz fanden: Ritzmann, Graf, Schild und Füllemann hatten erfreulich viel Eiszeit. In der Summe also, wie schon im ersten Tapola-Jahr, sehr viele Kadermutationen.
Der Trainer bekam alles so, wie er es wollte – entsprechend ist er nun gefordert, mit dem Team zu liefern. Die defensiv gut strukturierte, aber für sich allein stehend nicht sehr attraktive Spielweise aus der Vorsaison konnte erhalten werden. Darauf aufbauend trat das Team mit viel Wucht und Physis auf und hat oft gerade zu Spielbeginn zu Hause die Gegner vor ganz harte Aufgaben gestellt. Das Spiel mit dem Puck ist spürbar besser geworden. Im Spiel fünf gegen fünf war der SCB über die ganze Saison top, wenn nicht das beste Team der Liga.
Das zeigte sich vorab in der Qualität, aber eben auch im Output. Mit den starken Zuzügen war das Powerplay mit 30 Toren wieder in etwa gleich stark wie im Vorjahr. Mit insgesamt 165 Toren (+20 gegenüber dem Vorjahr!) war der SCB das zweiterfolgreichste Team. Gespannt darf man auf die Torhüterbesetzung und deren Leistungen sein. Reideborn war letztes Jahr etwas überspitzt formuliert der „Regular Season König und der Playoff-Bettler“. Er spielte vierzig Spiele vor den Playoffs, was zu wenig Spielpraxis für Wüthrich führte. In der Konsequenz gab es in der Crunchtime schwankende Leistungen beider Goalies.
Reideborn zeigte heuer durchaus sehr gute Spiele, aber er war weniger erfolgsbestimmend als im Vorjahr. Er wurde auch achtmal weniger aufgestellt. Kehren deshalb er und Wüthrich nun den Spieß in den Playoffs um? Das dürfte ein wesentlich bestimmender Faktor sein, wenn Berns Weg lang sein soll. Der SCB ist mindestens einer der Außenseiter-Favoriten auf den Titel, und es ist vorstellbar, dass er den großen Favoriten sehr unangenehm werden kann. Wie immer ist aber nun der Viertelfinal zuerst einmal eine sehr hohe Hürde, die zuerst genommen werden muss.
Credits: Christoph Malaval
Damit sind wir beim Gegner Fribourg. Der Saisonverlauf war ganz schwierig. Es begann mit der Entlassung Dubés aus seiner Doppelfunktion als Sportchef und Cheftrainer. Der neue Sportchef Gerd Zenhäusern wagte eine bisher nie dagewesene Praxis, indem er für diese Saison mit Patrick Emond einen Stellvertreter-Trainer für den ab Sommer 2025 bereits vorverpflichteten Roger Rönnberg einsetzte. Rund um den Club, aber auch im Club selber, löste diese Vorverpflichtung so viel Vorfreude aus, dass (zu) lange vor allem von der Zukunft geschwärmt wurde, dabei aber die Gegenwart bedenklich schwächelte.
Außerdem kursierte das Wort „Titel“ in einer toxischen Art rund um Fribourg. Die Sehnsucht, endlich dieses oder dann allerspätestens nächstes Jahr mal einen zu gewinnen, war allgegenwärtig – die Leistungen jedoch konnten nie damit Schritt halten. Das führte letztlich kurz vor Weihnachten zum Knall: Zenhäusern korrigierte einerseits die erste Stellvertreter-Lösung Emond, der bei Lichte betrachtet unter gegebenen Umständen kaum eine Chance haben konnte, mit einer zweiten Stellvertreter-Lösung! Erst wurde Lars Leuenberger als Assistent ab 2025/26 verpflichtet, und dann eben zum Rönnberg-Stellvertreter als Headcoach bis Ende der Saison 2024/25 ernannt.
Insofern eine andere Ausgangslage, als dass das Team wirklich nicht performte und es keine Ausreden mehr gab. Der Umstand, dass der temporäre Chef auch kommende Saison eine Rolle haben wird, hat sicher auch seine Wirkung gehabt. Diesmal haute es hin – und wie! Fribourg gewann zuerst den ach so herbeigeredeten Titel am Spengler Cup. Das löste sehr viel aus. Fribourg zeigte einen traumhaften Januar, punktete und punktete, bevor das ganz zuletzt in der Regular Season nicht mehr im gleichen Ausmaß gelang. Dieses sehr gut besetzte Team (wenn denn die Verletzungshexe nicht zuschlägt) hat das, was man von ihm erwarten musste, also erst ganz zuletzt auch erreicht.
Das kann nun in der Summe in Fribourg sehr viel auslösen. Lars Leuenberger hat schon einmal in sehr vergleichbarer Situation damals ausgerechnet den jetzigen Gegner SCB übernommen, ihn auf dem letzten Zacken in die Playoffs geführt und … ist dann bis zum Titel durchmarschiert.
Bern gegen Fribourg – so oder so hochbrisant, aber vielleicht deswegen noch spannender!
Credits: Waltraud Blaurock
Beide Trainer wissen, wie man gewinnt. Im Goalie-Bereich sehe ich bei den Nummern 1 eine Pattsituation, bei den Nummern 2 den Vorteil beim SCB.
In der Verteidigung favorisiere ich Bern, da sie drei sehr starke Ausländer einsetzen können, sofern sie wollen, und mit Untersander/Loeffel über zwei Verteidiger der nationalen Hubraumklasse sowie mit Vermin, Kreis, Kindschi und Füllemann über weitere starke Elemente verfügen. Nicht dass Fribourg schlecht besetzt wäre, aber zwei ähnlich dominante Schweizer sehe ich nicht, und die Alternativen bei Ausfällen sind geringer.
In der Offensive könnten sich die Ausländer „neutralisieren“. Die vier Berner Ausländer sind allesamt sehr stark, aber Wallmark, Sörensen, Vey und Lilja dürften den Vergleich annehmen. Im Bereich der Schweizer Stürmer sehe ich rein spielerisch qualitativ keine großen Differenzen, würde aber – Tapola-Style – die Berner Stürmer in ihrer Spielweise als etwas robuster und damit möglicherweise etwas playofftauglicher einstufen.
In der Summe all dieser Betrachtungen favorisiere ich den SCB leicht.
Als hätte ein Dramatiker diese Geschichte zur Bye-Bye-Tour von Dan Tangnes mit dem EV Zug geschrieben. Es kommt zum Duell mit seinem Coachzögling und Freund Josh Holden. Während Tangnes in der NL diverse Playoff-Serien coachte und mehrheitlich gewann, ist es für Holden mit seinem Team erst die zweite Serie und damit erst die zweite Chance, auch eine Serie zu gewinnen. Wer markiert gegenüber wem den Chef?
Die Saison des EVZ war weniger dominant, konstant und stilsicher als auch schon. Man ist zuletzt auch zweimal im Halbfinal ausgeschieden und war europäisch nicht mehr vertreten. Das sind zwar nicht per se schlechte Resultate, aber sie entsprechen halt den Erwartungen nach den beiden aufeinanderfolgenden Titeln 2021 und 2022 nicht. Man hat bei der Kaderplanung bewusst auf mehr Größe, Wucht und Physis gesetzt, sowie im Wissen um die sehr starke Schweizer Stürmer-Fraktion auf eine robuste Verteidigung, bestehend aus drei Ausländern. Die Zuzüge Künzle, Carlsson, Olofsson und Vozelinek untermauern das eindeutig.
In der Regular Season führte das noch nicht ganz durchschlagend zu Dominanz. Diese wurde zwar oft angedeutet, aber in der Konstanz war man eben nicht ganz da, wo man sein wollte. So zum Beispiel wollte man sich auch unbedingt wieder für die Champions Hockey League qualifizieren, was nach der Regular Season mit Rang vier vorerst noch nicht gelang – es sei denn, der ZSC, der SCB oder Lausanne würde Meister, und man könnte nachrutschen, oder man wird eben selber Meister.
Personell hatte der EVZ kein leichtes Jahr. Mit Genoni, Schlumpf, Riva, Hofmann, Herzog, Simion, Bengtsson, Geisser und Stadler fielen immer wieder Schlüsselspieler aus. Der einen Leid, der anderen Freud: Einige junge Spieler kamen so zu größeren Rollen. Allen voran Ludwig Johnson – eine der Entdeckungen der Saison – dann aber auch Nic Balestra, Loris Wey, Robin Antenen oder Mischa Geisser. Das wird für die Playoffs kein Nachteil sein, sind diese Spieler doch dadurch solid integriert.
Zug hat aber im Spiel fünf gegen fünf, wie der SCB, zu den besten Teams der Regular Season gehört. Dies vor allem wegen ihrer Offensivstärke, wo man in Gleichzahl nach dem SCB am meisten Tore aller Teams erzielte, während man defensiv weniger dominant, aber durchaus auch solid spielte. In den Überzahlsituationen gehörte man zu den besten Teams. Im defensiven Gegenstück – dem Spiel in Unterzahl – hat der EVZ hinsichtlich der Playoffs noch Luft nach oben.
Mit Dan Tangnes wird der große Leader und Baumeister der letzten Jahre seine letzten Spiele an der Bande des EVZ verbringen. Er strebt aus persönlichen Gründen nach einer neuen Herausforderung in seiner Heimat. Es ist davon auszugehen, dass besonders er Zug durch die große und nicht durch die Hintertür verlassen möchte. Ebenso ist davon auszugehen, dass ihm die Spieler, von denen sehr viele ihrem Coach sehr viel zu verdanken haben, einen großen Abgang ermöglichen möchten. Das kann diesen Playoffs aus Zuger Sicht einen ganz besonderen Schub verleihen.
Credits: Unbekannt
Besonders ist eben auch das Duell gegen den HCD und dessen Trainer Josh Holden. Dieser hat sich mit seinem Team relativ problemlos, aber ohne Brio, direkt für die Playoffs qualifiziert. Der HCD ist ausgezeichnet besetzt, darum überrascht das rein sportlich nicht. Ähnlich wie Ambri mit Kubalik gelang auch dem HCD mit der Verpflichtung von Zadina kurz vor dem Saisonstart ein Supertransfer aus der NHL, der voll einschlug. Weil man irgendwo auch sonst noch ein offenes Kässeli hatte, konnte man sich zu Saisonbeginn auch noch den in Lugano unglücklichen Calle Andersson leisten.
Auch das neue Tandem Tambellini/Ryfors fand den Tritt sehr rasch und riss das Team zusammen mit den beiden Tschechen Zadina und Stransky, sowie Dahlbeck und Honka. Der HCD lebte lange ganz ausgesprochen stark von seinen Ausländern. Dabei hat es im Kader zum Beispiel mit Corvi, Nussbaumer, Kessler, Knak, Frehner, Ambühl und Wieser diverse Schweizer Spieler, die schon gezeigt haben, dass sie zehn oder mehr Tore pro Saison wert sein können. Genau diese Schweizer – mit Ausnahme von Kessler – kamen (zu) lange kaum auf offensive Touren, sodass eben diese große Abhängigkeit von den Imports entstand.
Da hat Holdens Team also einiges an Luft nach oben, obwohl mit Corvi ein Spielmacher, Bully-Spezialist und mit offensivem Potential verletzungsbedingt die Playoffs verpassen wird. Ebenso gilt es, Frehner zu ersetzen, der seine Saison ebenfalls verletzungsbedingt abbrechen muss. Was beim HCD ins Auge sticht, ist, dass das Powerplay in dieser Saison gemessen am Talent in diesem Kader unter den Erwartungen geblieben ist, während stattdessen das Penaltykilling meistens ordentlich gut war.
Sandro Aeschlimann im Tor spielte 34 Spiele solid. Er gehörte, wie eigentlich in den letzten Saisons immer, zu den besten Torhütern der NL. Sein Kompagnon Hollenstein spielte etwas weniger, erreichte aber in etwa die gleichen statistischen Werte. Es ist davon auszugehen, dass Aeschlimann wohl der Starter in den Playoffs sein wird, Holden aber weiß, dass Hollenstein durchaus eine Alternative sein kann.
Credits: Berend Stettler
Im Duell der Coaches hat wohl Tangnes aufgrund seiner Erfahrung die Nase vorne, obwohl in den acht Direktbegegnungen der letzten zwei Jahre beide Teams je viermal oben aus dem Duell hervorgingen.
Auf der Torhüterposition sehe ich im Duell zweier dominanter Schweizer Goalies den Vorteil beim EVZ, einfach weil Genoni es liebt, jeden Frühling sackstark zu spielen und es noch nie anders war. Auf der Nummer-2-Position würde ich allerdings eher den HCD vorne sehen.
Dass in Zug der große Verteidigungsminister Bengtsson verletzungsbedingt ausfällt, führt dazu, dass der EVZ eben die beabsichtigten drei ausländischen Defensivstützen nicht einsetzen kann. Mit Jung, Andersson und Fora hat der HCD im Schweizer Bereich gewisse Vorteile, aber Dahlbeck alleine (Honka ist des Öfteren aus den Traktanden gefallen) kann nicht leisten, was in Zug Hansson/Carlsson abliefern können. Ich sehe da eine Pattsituation in der Verteidigung.
Die Ausländer des HCD waren enorm effizient über die ganze Saison, und da sehe ich den HCD mit Vorteilen. Nicht dass Zug mit Kovar, Wingerli, Vozelinek und Olofsson schlechtere Leute hätte, aber es sind andere Spieler, etwas mehr kollektiv, physisch und teamorientiert.
Die Schweizer Stürmer des EVZ sind – trotz der verletzungsbedingten Absenz von Herzog – das Paradestück des EVZ. Kaum jemand in der Liga hat so viele Stürmer mit rotem Pass, die allesamt locker zehn und mehr Tore pro Saison erzielen können und es auch bewiesen haben. Da sehe ich klare Vorteile beim EVZ.
In der Summe favorisiere ich in dieser Serie den EVZ, auch wenn ich Andres Ambühl einen „hibscheren“ Abschied als ein Ausscheiden im Viertelfinal durchaus gönnen würde!