Bern ohne tanzende Bären ist nicht das Bern der Eigenwahrnehmung und des Eigenverständnisses. Das gilt im Bärengraben, am Zytglogge und ebenso in der Postfinance Arena. Da aber war der Tanz zuletzt nicht nur «bernlike». Der Bär SCB scheint aber einsichtig und gewillt, den Stolz zurückzugewinnen und deutliche Fussabdrücke zu hinterlassen. Welke Rosen sind auch Blumen, aber eben nicht so schöne und erfreuende wie blühende Rosen. Die Rosenstädter aus Rapperswil haben ausser letztes Jahr viel Sonne erlebt und sind auch im Lido auf den Geschmack blühender Rosen gekommen. Scheint nach der letztjährigen Bewölkung und trotz des Abgangs von Superstar Cervenka wieder vermehrt die für blühende Rosen so wichtige Sonne?
In der Verteidigung stehen wie im Vorjahr erneut Wechsel an. Paschoud, Pokka, Maurer, Henauer und definitiv auch Honka sind nicht mehr Teil der Tapola-Pläne. Mit dem Schweden Anton Lindholm kommt ein komplett anderer Ausländer nach Bern, als es Honka war. Lindholm ist ein besserer Pokka und wie ein zweiter Nemeth. Kindschi hat letztes Jahr die Verantwortlichen überzeugt und steigt in seine zweite Saison mit dem SCB. Die jungen Meile und Füllemann, sowie die bewährten Untersander, Loeffel und Kreis bilden eine sehr gut besetzte Verteidigung. Zudem scheint ein letztes Jahr gestartetes Projekt Joel Vermin zum Verteidiger um zu funktionieren, seine Fortsetzung zu finden.
In der Offensive hat man in erster Linie bei den Ausländern Umbesetzungen vorgenommen. Nur gerade der unbestrittene Kahun «überlebte», Knight, Luoto und Sceviour wurden alle drei ersetzt. Neu stossen Austin Czarnik (ein in acht NHL-Saisons weitgereister, aber nie wirklich glücklich gewordener rechtsschiessender Center), der Riese Victor Ejdsell (von Färjestad) und Tapolas ehemaligr Tappara Spieler Walteri Merelä (aus der Tampa Organisation) dazu. Das sind weniger «Galleriespieler» denn hart und strukturiert spielende Teamplayer. Auch das ein Zeichen dafür, dass man eine sehr solide und gut strukturierte Mannschaft aufstellen will. Zudem gelang mit dem Transfer von Marc Marchon ein Zuzug, der mit seiner physischen und aggressiven Spielweise gut in Berns DNA passt und auch in der Lage ist, zehn oder mehr Tore zu erzielen. Interessant auch, dass Sablatnig, der eigentlich letztes Jahr aus dem «Nichts» zu seiner Chance kam, die Verantwortlichen überzeugte und nun im Kader steht.
Mit den weiteren Akteuren Bader, Lehmann, Baumgartner, Scherwey, Moser. den jungen Ritzmann, Fuss, Schild, Ryser, Weber sowie dem polyvaelnten Vermin ist die Offensive auch qualitativ sehr breit aufgestellt. Es gibt einige etwas «ältere Semester» im Kader, die irgendwann einmal ersetzt sein müssen. So zum Beispiel gibt es Fragezeichen um den Gesundheitszustand von Captain Simon Moser. Spannend gestaltet sich deshalb die Frage, ob sich die Jungen bei dieser Konkurrenz ihre Eiszeiten werden verdienen können. Füllemann/Meile spielen wohl ebenso um ihre mittelfristige Zukunft in Berns Überlegungen, wie die Stürmer Weber (2004), Fuss (2001), Ryser (2002), Ritzmann (2002) und Schild(2004). Genau das wird eine der Kernaufgaben des neuen Duos Martin Plüss (Sportdirektor) und Patrick Bärtschi(GM) sein. Etwas Verwunderung hat der Austritt von Mark Streit aus dem Verwaltungsrat ausgelöst. Es wird in den Gassen Bern’s darüber spekuliert, ob ein stark bestimmender Trainer, ein Sportdirektor, ein GM, ein bekannt starker, eher autokratischer CEO neben einem starken Sportvertreter im Verwaltungsrat etwas zu viel des Guten war.
Es ist auch im Jahr zwei unter Tapola auf und neben dem Eis vieles neu. Neu bedeutet immer auch ungewiss und dass man etwas Zeit brauchen wird, bis sich das Gebilde findet. Der letztes Jahr eingeschlagene Weg mit Tapolas Philosophie wird konsequent fortgesetzt und die Kaderzusammenstellung ist entsprechend logisch ausgefallen.
Es steht ausser Frage, dass Bern über ein Top 6 Kader verfügt, sowohl angesichts der Qualität als auch der Kadertiefe. Berns Eigenverständnis verlangt eine Platzierung in den Top 6 ebenso wie das gesamte Umfeld. Da aber die Sehnsucht und die Tradition Bern als Playoff-Macht sehen, wird wohl erst das Abschneiden in der KO-Phase darüber entscheiden, ob man in der Saisonbilanz den Daumen nach oben oder nach unten halten wird. Ein Ausscheiden im Viertelfinal wäre in vielen Augen zu wenig, gemessen an den Voraussetzungen. Der Bär muss oft und lange tanzen, damit man in Bern zufrieden ist. Der Erwartungsdruck wird also hoch sein, aber mit der Routine auf und neben dem Eis muss das zu handeln sein. Ein entscheidender Faktor dürfte sein, dass nicht nur der stark gestaltende und bestimmende Headcoach vom Vorgehen und der Philosophie her überzeugt ist, sondern auch die sportliche Leitung und die gesamte Organisation.
Eine Garantie gibt’s aber auch für Bern nicht, denn es finden sich viele Teams, die auch genug Qualität aufweisen, sich auf den ersten sechs Plätzen zu klassieren. Es kann also auch eng werden.
Die Lakers gehörten mit Biel und Servette-notabene das Spitzentrio nach der Regular-Season 22/23-zu denjenigen Teams, die rang- und punktemässig in der vergangenen Saison am meisten Haare lassen und unerfüllte Erwartungen schlucken mussten. Das mag daran liegen, dass das Verdauen einer sehr guten Saison generell nicht so einfach ist, aber auch dadurch, dass das Meistern der Doppelbelastung NL und CHL halt nicht ganz so einfach ist (gerade auch dann, wenn die Verletzungshexe wie bei diesen drei Teams oft zu Besuch ist). Selbstverständlich aber führt die Analyse auch immer über die Kaderzusammenstellung und das Umfeld. Was hat das in Rapperswil bewirkt? Beginnen wir neben dem Eis. Markus Bütler als CEO, Janick Steinmann als GM und Stefan Hedlund als Headcoach steigen in dieser Kombination in die vierte Saison. Konstanz auf diesen Positionen zahlt sich normalerweise immer aus, auch wenns mal ein wenig besser oder schlechter läuft. Anderseits sind neue Impulse ebenso wichtig. Die holt man sich bei den Lakers gleich dreifach mit den Besetzungen der Assistenten: neu stossen die beiden Schweden Fabian Gunnarsson und Johan Lundskog (ex HCD und SCB) sowie der finnische Goaliecoach Jaako Valkama dazu. Es wird spannend zu beobachten, was der «scandinavian way of doing» auslösen wird.
Aber auch auf dem Feld passierte viel. Im Tor hat Melvin Nyffeler mit Ivars Punnenovs einen starken Mitkonkurrenten und wird wohl nicht mehr ganz so unumstritten die Rolle der Nummer 1 haben, sondern wird sie sich hart erkämpfen müssen. In der Verteidigung gibt’s viel frisches Blut: Jacob Larsson ersetzt Maxim Noreau, Philip Holm kommt als weiterer Ausländer dazu, Jelovac kommt aus Lausanne im Tausch mit Vouradoux an seine vormalige Wirkungsstätte zurück und Mika Henauer sucht neu seinen Platz in der NL am Obersee. Mit David Aebischer aber haben die Lakers einen Mann verloren, der sich prächtig entwickelte und nicht so ohne Weiteres zu ersetzen ist. Den Club ebenfalls verlassen hat Tim Grossniklaus. Oder wird sogar der junge Benjamin Quinn(2004), der von den GCK Lions kommt zur Trouvaille? Mit den drei ausländischen Verteidigern Larsson, Djuse und Holm verfügt man über Alternativen.
Im Sturm hat Superstar, Weltmeister, Denker und Lenker Cervenka eine «Rentenofferte» aus Pardubice in seiner Heimat erhalten und angenommen. In der Vergangenheit war es oft so, dass wenn er wie meistens gut spielte, die Lakers gegen jeden Gegner bestehen konnten. Anderseits waren die Lakers ein anderes Team, wenn er verletzt war oder eben auch mal weniger gut spielte. Sein Abgang lässt die Frage des halbleeren oder halbvollen Glases stellen. Den Lakers bietet sich die Chance, sich von den Leistungen Cervenkas mit einer noch geschlosseneren Teamleistung zu emanzipieren. Einen Cervenka mit seiner individuellen Klasse und seiner Ausstrahlung zu ersetzen, ist im europäischen Markt fast unmöglich.
Pontus Aberg ist ein sehr guter, aber eben auch ganz anderer Ersatz. In der Offensive verliessen zudem mit Cajka, Conolly, Frk, Schroeder und Sandro Forrer weitere Stürmer den Club. Mit Malte Strömwall kommt ein Powerstürmer ins Kader, der zusammen mit dem wiedergenesenen Victor Rask, dem Dänen Jensen und eben Aberg für Sonnenschein sorgen soll. Gespannt darf man auf die Entwicklung der jungen Garde sein: Mats Alge(2003), Janis Embracher(2005), Jan Hornecker(2004) und Jonas Taibel(2004), aber auch der in Ambri nicht glücklich gewordene Valentin Hofer(2002) sollen für viel Energie und Hunger sorgen. Es ist also offensichtlich, dass man in der Kaderanalyse offenbar schon auch Gründe für das unbefriedigende Abschneiden letztes Jahr gefunden hat und hofft, dass die vielen Mutationen dem Team ein neues Gesicht geben und eitel Sonnenschein auslösen werden.
Viele Wechsel können zwei Entwicklungen mit sich bringen. Einerseits viel Schwung, Energie und eine Aufbruchstimmung. Anderseits brauchts Geduld, bis sich das Gebilde findet und die Hierarchien eingependelt sind. Ersteres wird wohl rasch ersichtlich werden, denn das Kader ist recht breit und der neu entfachte Kampf um Rollen wird schon spürbar werden. Obs dann aber gleich von Beginn weg klappen wird, ist eine andere Frage. Jedes Team braucht einen guten Saisonstart, aber die Lakers wohl besonders. Auch Hedlunds Position wird dann stark bleiben.
Den Lakers ist mehr zuzutrauen als letztes Jahr. Im besten Fall schnuppert man länger an den Top 6. Sich dort zu platzieren, käme aber dann schon einer Sonderleistung gleich. Sport ist aber unberechenbar und mit einer gewissen Euphorie und Selbstvertrauen kann man viel bewegen. Gerade wegen dieser Unberechenbarkeit kann es auch schnell in die andere Richtung gehen. Die Lakers haben wohl nicht viel Marge, wenn Dinge harzig verlaufen sollten. Der Weg in die hinteren Tabellenregionen ist dann einiges kürzer, als der Weg in die Sonnenplätze. Deshalb wird wohl der Saisonstart dafür entscheidend sein, ob in der Rosenstadt die Rosen in der erhofften und erlebten Pracht wieder mehr blühen werden als letzte Saison.