NHL-Schweizer in einer Hauptrolle vor der Tradedeadline

Am Freitag, 3. März ist für diese Saison NHL-Tradedeadline und selten zuvor ging es so hoch zu und her. Spannung pur und das eine und andere Tafelsilber wechselte den Besitzer und vielleicht «more to come». Bo Horvat zu den New York Islanders, Vladimir Tarasenko zu den New York Rangers, Ryan O’Reilly zu den Toronto Maple Leafs und vermutlich – Stand per 27.02.23 als extrem heisses Gerücht – Patrick Kane zu den New York Rangers.

Aber auch unsere Schweizer Nino Niederreiter, er wechselt zu den Winnipeg Jets und Timo Meier (zu den New Jersey Devils). Der Trade von Timo Meier produzierte im Vorfeld die grössten Schlagzeilen. Seit Wochen verdichteten sich die Gerüchte betreffend die New Jersey Devils. In der Nacht auf heute war es so weit. In der Folge bewerte ich die Trades von Nino Niederreiter und Timo Meier. 

Zum lange antizipierten und ersehnten Timo Meier Trade von den San Jose Sharks zu den New Jersey Devils

Wer hat diesen Trade gewonnen? Für beide Parteien verteile ich Noten, gehe bei meiner Notengebung allerdings davon aus, dass die Devils im Vorfeld abgeklärt haben, ob sie Timo über diese Saison hinaus auch längerfristig unter Vertrag nehmen können. Meine Beurteilung geht davon aus, dass sie dies tun werden.

Note 5.5 für die New Jersey Devils. Begründung: Die Devils haben den klar besten Spieler im Trade erhalten und viele Experten gehen davon aus, dass diejenige Partei in einem Multiplayer-Trade als Sieger hervorgeht, die den besten Spieler bekommt. In diesem Fall ist Timo Meier sehr klar der beste Spieler. Zudem haben es die Devils geschafft, keinen ihrer Kronjuwelen (Luke Hughes und Simon Nemec) hergeben zu müssen und auch die ebenfalls hoch gehandelten Talente Alexander Holtz und Arseni Gritsyuk bleiben unangetastet.

Der langen Worte kurzer Sinn: Keiner ihrer Top4 in der Talentpipeline wurde geopfert! Das ist «grosses Kino», wie ich meine. Die Devils haben sich mit diesem Trade im Kreis der «Contender-Kandidaten» angemeldet und mittelfristig sehe ich die Devils als Macht im Osten!

Note 4.5 für die San José Sharks. Begründung: Die Sharks erhalten immerhin zwei Erstrundendraftrechte plus den Erstrundenpick Shakir Mukhamadullin. Dies ist mittelfristig ein guter Gegenwert, auch wenn die Erstrundendraftrechte spät sein werden, d.h. die Sharks werden damit kaum in den Top20 ziehen können. Bei den Spielern, die sie erhalten haben, setzen sie auf das Prinzip Hoffnung. Zetterlund und Mukhamadullin werden vermutlich solide NHL-Spieler, aber ebenso vermutlich keine sehr tragenden Säulen. Andreas Johnsson ist bereits ein solcher Spieler, ein solider «Hinterbänkler» aber kein so genannter «Unterschiedspieler».

Auch die Devils erhalten in diesem Trade einige «JAG-Players» (JAG = Just Another Guy), bei keinem dieser neuen Devils-Spieler gehe ich davon aus, dass sie in der NHL je für grosse Schlagzeilen sorgen werden. Sie werden in der AHL und maximal als Recall-Player Geschichte schreiben. 

Was bedeutet der Trade für Timo?

Für Timo Meier ist es ein sportlicher Aufstieg sondergleichen. Zudem wird es sicher kein Nachteil sein, dass bereits drei Schweizer bei den Devils unter Vertrag stehen; die Integration wird dadurch erleichtert. San José ist ein attraktives Pflaster mit guter Lebensqualität, für New York lässt sich dies aber genau so sagen. Zudem gibt es einiges Derbies ohne lange Reisen. Selbstverständlich erwarte ich Timo Meier in einer der ersten beiden Sturmreihen. Entweder an der Seite von Jack Hughes oder dann mit Nico Hischier. Beide Varianten werden mit Sicherheit getestet. Zudem kann sich Timo Meier dank seinen herausragenden Leistungen auf einen mega fetten Anschlussvertrag freuen. Ich erwarte, dass er künftig mit US$ 9-10 Mio pro Saison entlöhnt werden wird und wir alle mögen es dem sympathischen Appenzeller von Herzen gönnen.

Nino Niederreiter wechselt für ein 2. Runden-Entrydraftrecht zu den Winnipeg Jets 

Wer hat diesen Trade gewonnen? Wie bei jedem Trade ist es so, dass in aller Regel erst in ca. 5 Jahren sachlich beurteilt werden kann, wer bei vergangenen Trades Sieger oder Verlierer war. Trotzdem ist es Salz in der Suppe, wenn man Trades persönlich beurteilt, und zwar jetzt und nicht erst als «Nachkriegsgeneral». Here we go: Ich verteile Schulnoten:

Note 5 für die Winnipeg Jets. Begründung: Sie haben einen mehr oder weniger konstanten 25-Tore-Goalscorer mit zudem auch teilweise mit guten anderen analytischen Werten. Nino ist zudem verhältnismässig günstig betreffend Payroll. Die Situation mit der Verletzung ihres Jungstars Cole Perfetti, hat den Nino-Trade mitbegünstigt, denn Perfetti fällt mindestens 2 Monate aus und die Jets schwächelten in den letzten Partien. Nino hat auch darum eine solide Chance, sich wenigstens kurzfristig in den ersten zwei Sturmreihen festzubeissen. 

Note 4 für die Nashville Predators. Begründung: Wie von mir vor einer Woche anlässlich der Niederlage im «4-Punktespiel» gegen die Minnesota Wild vermutet, hat der GM, David Poile, sich jetzt dazu bekannt, im Tradetheater zu den Verkäufern, zu den «Sellern» zu gehören. Die Nashville Predators starten mindestens einen sanften «Rebuild». Dies kann ich nachvollziehen, aber für Nino Niederreiter hätte ich mir ein klein wenig mehr gewünscht als «nur» ein 2.Rundendraftrecht, darum nur die knapp genügende Note 4. David Poile hat dann aber mit dem Trade von Tanner Jeannot zu Tampa Bay dieses gefühlte Defizit mehr als kompensiert. Beim Jeannot-Trade sehe ich die Nashville Predators als ziemlich klaren Sieger.

Was bedeutet der Trade für Nino?

Nino war offensichtlich spontan wenig begeistert von dem Trade. Winnipeg gilt zudem als die bei NHL-Spielern unbeliebteste Stadt. Vor allem im Winter ist es kalt und dunkel, es finden sich aber auch wunderbare Flecken Natur in der Region und Winnipeg ist eine leidenschaftliche Hockeytown. Sportlich ist es ein Aufstieg für Nino. In Winnipeg stehen die Chancen für die Playoffqualifikation besser als in Nashville, das Team ist gut besetzt und kann mit Connor Helleybuck auf einen der weltbesten Goalies zählen. 

Allgemeine Schlussbemerkungen:

Auffällig ist, dass vor allem die Teams im Osten aufgerüstet haben, ich erwarte erbitterte Duelle auf höchstem Niveau zwischen Tampa, Toronto, den Rangers, Devils und Islanders. Wir dürfen uns auf eine mega spannende Schlussphase und hoch interessante Playoffs freuen! Für die Schweizer Nationalmannschaft bedeuten diese Trades aber nicht viel Gutes! Von den «Topshots» steht eventuell maximal Roman Josi für die WM zur Verfügung, was uns tendenziell in eine Aussenseiterrolle versetzt. Die Schweiz in einer Aussenseiterrolle? In solchen Ausgangslagen sind wir am gefährlichsten, am besten, dies liegt in unserer DNA.

  


Thomas Roost

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.  Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz. In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost