Text von Thomas Roost, Header-Fotos: zvg/nhl
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Es begab sich, dass ich vor vielen, vielen Jahren im Rahmen eines Juniorenturniers in Helsinki im selben Hotel nächtigte wie Ovechkin, Malkin und deren Entourage. Beide 191cm gross, Malkin, der stille, schüchterne junge Mann. Ovechkin, der extrovertierte, selbstbewusste Jungstar, der Sohn eines Ex-Profifussballers und einer ehemaligen sowjetischen Nationalspielerin im Basketball. Bereits bei den Beobachtungen am Frühstücksbuffet war klar, dass sich da zwei ziemlich unterschiedliche Persönlichkeiten um die Vorherrschaft bei den russischen Jungstars duellieren.
Zurück zur Aktualität: Alex Ovechkin wird den legendären Torrekord von Wayne Gretzky (894 Regular Season Goals) brechen. Nur eine karrierebeendende Verletzung wird dies noch verhindern können. Die Experten und Analytiker überbieten sich mit Berechnungsszenarien, die aufzeigen, ob Ovechkin diesen Rekord noch in dieser Saison brechen wird oder «erst» früh in der nächsten Saison. Alex Ovechkin ist ein Phänomen. Mit 39 Jahren ist der «alte, weisse Mann» mit 36 Toren (Stand 29.03.25) noch immer ein «High End Scorer». 36 Tore in einer noch nicht zu Ende gespielten Saison in der er verletzungsbedingt einige Spiele pausieren musste. Zeit, sich mit Alex Ovechkin auseinanderzusetzen.
Jahre bevor klar wurde, dass Alex Ovechkin den Torrekord der NHL brechen würde, führte er fünf Saisons lang ununterbrochen die Liga bei den Powerplay-Toren an. Nach einigen Jahren haben sich die Gegner auf seine Powerplaytorstrategie eingestellt und wenigstens ansatzweise Gegenmittel zum Powerplaytorkönig gefunden. Aber auch Ovechkin ist nicht einfach stehengeblieben. Er hat sich immer wieder neu erfunden, sich stetig weiterentwickelt und exakt diese Fähigkeit, sich als ewiger Student des Eishockeyspiels zu verstehen, hat ihn in diese historische Situation getragen, in der er sich jetzt befindet.
Foto: Alexander Ovechkin
Fotocredits: zvg/nhl
Ovechkin war und ist noch immer darauf aus, neue Wege zu finden, um sich durchzusetzen. Er ist sehr empfänglich für Vorschläge von den Coaches, für Tipps, die ihm helfen, weitere Varianten zu finden, um Tore zu erzielen. Seine bekannte Position für One-Timers hat er selbstverständlich nie ausser Acht gelassen. Auch dann nicht, als die Gegner begannen zu versuchen, ihn mit einem Mann zuzustellen. Alex Ovechkin hat seine Variationen stets erweitert und dies macht ihn heute zu einem deutlich unberechenbareren Skorer als noch in Jahren ohne graue Haare.
Coaches, die mit Ovechkin zusammenarbeiteten, berichten, dass er einer der seltenen Superstars ist, der sich nicht scheut, Kritik anzunehmen. Er ist konfliktfähig, es gibt immer mal wieder harte Diskussionen mit ihm, aber immer auf einem konstruktiven Niveau. Er kann harte Kritik annehmen, und das ist ziemlich einzigartig weil Spieler seiner Grössenordnung dies nicht gewohnt sind, aber er kann es ertragen. «Man kann ihn herausfordern und er wird oft sagen: Ja, du hast recht, ich werde dies künftig so machen.» Dies ein Statement seines ehemaligen Coaches bei den Washington Capitals, Barry Trotz.
Ovechkin ist ein Spieler bei dem die Leidenschaft, die Liebe zum Sport Eishockey immer über allem steht. Er hat auch stetig messbare Fortschritte erzielt im Bereich Off-Ice-Vorbereitung, Fokus und Engagement. Dies vor allem in der Zeit, in der der Erfolgsdruck in Washington gestiegen ist.
Ovechkin ist laut, er ist raumfüllend und er ist einzigartig. Er hat dieses gewisse Etwas und dieses gewisse Etwas ist etwas ganz Besonderes. Ovechkin hat unglaublich viel Spass am Eishockey wie auch am Leben. Auffallend zudem, dass er als Skorer gleichzeitig immer grosse Freude am Torerfolg seiner Teamkollegen zeigt und dies indiziert, dass die notwendige Portion Egoismus die Skorer so an sich haben, bei Ovechkin nicht übersteigert vorhanden ist. Er ist ein geschätzter Teamkollege und erst kürzlich hat er bei einem «Empty Netter» einem Mitspieler aufgelegt der die Chance zum Hattrick hatte. Seine eigenen Ambitionen im Hinblick auf den Gretzky Torrekord hat er zurückgestellt. Unvergessen auch seine Geste, als er vor wenigen Tagen nach der Niederlage gegen die Minnesota Wild seine Teamkollgen aufs Eis zurückbeorderte, um dem scheidenden Minnesota Goalie Marc André Fleury die Hand zu reichen und die Ehre zu erweisen.
![]() | Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah. |