Stellt euch vor, für eine Taylor Swift-Tournee wird Helene Fischer und ihre Crew als «Vorgruppe» engagiert und die beiden Protagonistinnen treffen sich vor der Tourneepremiere zum Brunch, um sich einzuspielen, resp. einzusingen. Dabei schüttet Helene Fischer bewusst oder unbewusst, heissen Tee über die Arme von Taylor Swift, so dass der Weltstar für einige Wochen ausser Gefecht gesetzt wird. Die Tournee wird gestartet, ohne aber die eigentliche Hauptfigur. Ich habe Tickets für Taylor Swift gekauft und muss mich nun mit Helene Fischer zufriedengeben? Common… Zugegeben, vielleicht eine nicht gänzlich passende Analogie, aber trotzdem.
In der NHL-Preseason gibt es für die eingesetzten Spieler ein ungeschriebenes Gesetz: Minorleaguer attackieren, respektive gefährden keine NHL-Spieler, keine Top-Rookies und schon gar keine Stars. Die Show darf nicht ohne ihre Stars, die Ticketseller, beginnen und die Stars von morgen müssen geschützt werden. Die Stars sind der Grund, wieso Tickets, TV-Rechte etc. verkauft werden, nicht der Supporting-Cast und schon gar nicht – bei allem Respekt – die Minor-Leaguer.
Was ist passiert? Bereits sind Drew Doughty von den Los Angeles Kings, Patrik Laine und David Reinbacher von den Montreal Canadiens, Macklin Celebrini von den San Jose Sharks und vielleicht auch Tim Stützle von den Ottawa Senators auf der Verletztenliste; dies nach teilweise unfairen Attacken von NHL-Hinterbänklern oder Minor-League-Spielern in völlig unbedeutenden Testspielen. Vor allem die Knie an Knie Attacke gegen Patrik Laine von den Montreal Canadiens hat Kopfschütteln erzeugt; aber auch der ziemlich hässliche Hit gegen den Kopf von Tim Stützle, der hoffentlich mit einem blauen Auge davonkommt. Völlig unnötig auch die Attacke gegen den 19-Jährigen Philadelphia Flyers Hoffnungsträger, Matvei Michkov, die dann aber sofort vom Captain Sean Couturier höchst persönlich mit einem Fight «gerächt» wurde. Der Captain selbst stellt sich vor seinen «diamantwertvollen» Rookie; Respekt, dies ist Leadership und bildet Team-Chemistry!
Ja, selbstverständlich verstehe ich die Hinterbänkler, die sich eine kleine Chance ausrechnen, das NHL-Team zu schaffen, wenn sie mit voller Energie ans Werk gehen. Sie sollen aber bitteschön ihre Skills, ihr Skating und ihre Spielintelligenz in die Waagschale werfen und nicht gegnerische Stars oder Toptalente mit – gelinde gesagt – übermotiviert grenzwertigen, physischen Attacken gefährden und schon gar nicht im Interview nach dem Spiel die Situation kalt lächelnd kommentieren (Fall Patrik Laine).
Die Ticketseller müssen geschützt werden, nicht nur durch das Reglement, sondern auch durch den Respekt der nicht ganz so talentierten Berufskollegen. Zum Glück für die Eishockeyschweiz ist bis jetzt noch keiner unserer Stars verletzt gemeldet. Dies lässt hoffen für einen gelungenen Saisonstart für Josi, Hischer, Fiala, Meier, Niederreiter & Co. Am 4. Oktober beginnt sie, die NHL-Saison. Nachdem in Europa die Theater-Premieren bereits Geschichte sind, öffnen sich jetzt endlich auch die Tore des «One and Only Eishockeybroadways» und dies für die Hauptdarsteller, die besten Spieler der Welt. Ich freue mich riesig!
Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah. https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost |