Vegas mausert sich zum Top-Favoriten!

Die Trade-Deadline in der NHL ist vorbei und NHL-Experte Thomas Roost befasst sich in seiner neusten Kolumne mit den Gewinnern und Verlierern.

Seien wir ehrlich, wir wissen erst in einigen Monaten, wer die Sieger und Verlierer der Trade-Deadline sein werden. Ich erinnere an die letzte Saison, in der die Boston Bruins gemäss den meisten Experten als Trade-Deadline-Sieger gefeiert wurden, um dann in der ersten Playoffrunde sensationell gegen die damals schwächelnden Florida Panthers zu scheitern. Trotzdem sind wir auch dieses Jahr gefordert, Einschätzungen zu präsentieren, weil der Spassfaktor bei der wohl ehrlichsten Antwort «es ist unklar, wer die Sieger und Verlierer sind» gleich null ist. Nachfolgend meine Gewinner und Verlierer plus die Antwort betreffend die Deadline-Trades Folgen für Sidney Crosby, aber auch für Akira Schmid und Ludovic Waeber.

 

Meine Gewinner:

Meine Tradedealine-Goldmedaille geht an die Vegas Golden Knights. Die Knights sind Jahr für Jahr kompetitiv und zählen zu den Mitfavoriten um den Cup, sie opfern hierfür Jahr für Jahr ihr bestes Tafelsilber bei den Zukunftsassets (junge Spieler, Draftpicks) und Jahr für Jahr denke ich, dass die Zitrone jetzt ausgepresst ist, dass die Golden Knights schlicht und einfach keine Assets mehr haben, um im Tradegeschäft gross mithalten zu können. Mitnichten: Sie schafften es einmal mehr, für aus meiner Sicht wenig Gegenwert, zwei der grössten Fische auf dem Trademarkt zu ergattern: Einerseits den Top-Center Tomas Hertl von den San Jose Sharks - er wird bis zu den Playoffs wieder fit sein - und den wohl besten zu habenden Verteidiger, Noah Hanifin (Calgary Flames). Hinzu kommt der etwas unbeständige, aber talentierte Powerforward Anthony Mantha von den Washington Capitals. Vegas katapultiert sich mit diesen Trades vom Mit- zu einem der Topfavoriten im Kampf um den Stanley Cup.

Die Silbermedaille gebührt den Carolina Hurricanes. Die Hurricanes gehören seit zwei Jahren zu den besten NHL-Teams. Der ganz grosse Coup in den Playoffs blieb ihnen aber bisher verwehrt. Sie haben in der Analyse das Fehlen eines Scorers als Schwachstelle eruiert; sie benötigen einen Spieler der die immer guten Werte bei den «expected goals» in «richtige» Goals umwandelt und diesen Spieler haben sie mit dem Sniper Jake Guentzel (Pittsburgh Penguins) definitiv gefunden. Die Hurricanes gehören nach diesem Trade ebenfalls zu den Topfavoriten.

Die Bronzemedaille überreiche ich den Florida Panthers. Sie haben für das Powerplay einen der besten One-Timer-Schützen mit Vladimir Tarasenko für mehr oder weniger ein Butterbrot von den Ottawa Senators erhalten. Tarasenko ist sicher nicht mehr auf seinem «Peak» der Leistungsfähigkeit, aber die Schussqualität leidet auch im Spätherbst einer Karriere kaum und exakt dies ist es, was die Panthers von Tarasenko erhoffen, Secondary Scoring im Powerplay. Ebenso für fast ein Butterbrot holten die Panthers den Captain der Buffalo Sabres, den 35-jährigen Kyle Okposo.

Die Ehre der «Honorable Mention» geht an die Dallas Stars. Ihr bereits auf hohem Niveau ausgewogenes Roster wurde kürzlich durch die Promotion ihres 21-jährigen, spektakulären AHL-Topskorers Logan Stankoven zusätzlich veredelt; er hat auch in der NHL sofort eingeschlagen. Die theoretisch einzige Schwachstelle, das Fehlen eines guten Verteidiger Rechtsauslegers adressierten die Stars mit Chris Tanev. Tanev wurde von vielen Teams gejagt, am Schluss machten die Dallas Stars das Rennen und dies für nur gerade ein 4.-Rundendraftrecht, auch hier ein guter Spieler für mehr oder weniger ein «Butterbrot».

Insgesamt konnten wir einen klaren «Käufer-Markt» beobachten, d.h. diejenigen Teams die Spieler akquirierten, haben weitgehend den Preisrange bestimmt; selten zuvor wechselten kompetitive Spieler für derart wenig Gegenwert.

Meine Verlierer:

Die Toronto Maple Leafs haben für mich das Problem der Schwachstelle in der Defense nicht gut genug gelöst. Sie setzten mit Edmundson und Lyubushkin vor allem auf «toughe» Ergänzungsspieler mit nur beschränkter Qualität. Ich glaube nicht, dass dies die Maple Leafs entscheidend vorwärtsbringt, aber vielleicht überraschen sie uns in den Playoffs exakt im Jahr, in dem die Erwartungen vergleichsweise gedämpft sind.

Auch die New Jersey Devils gehören tendenziell zu den Verlierern. Sie haben es nicht geschafft, einen valablen Nr. 1-Goalie zu bekommen, stattdessen versuchen sie es gleich mit zwei neuen Goalies (Allen und Kahkonen), beide zählen aber nicht zur Crème de la Crème auf dieser Position: Für mich gehört dies eher in die Kategorie «Verzweiflungstrades»; mehr Masse als Klasse. Zudem haben die Devils mit Tyler Toffoli einen gut skorenden Flügel an die Winnipeg Jets verloren und auch hier ist der Gegenwert mit einem Zweit- und einem Drittrundendraftrecht eher bescheiden.

Die Calgary Flames zählen ebenfalls zu den Verlierern im Tradedeadline-Markt. Sie haben mit Lindholm ihren vielleicht besten Center verloren und zudem zwei ihrer besten Defender (Hanifin und Tanev). Der Gegenwert? Lediglich zwei späte Erstrundenpicks (späte Erstrundenpicks sind erfahrungsgemäss deutlich weniger wertvoll als frühe Erstrundenpicks).

Zu den Verlierern gehört auch Akira Schmid. Ich erwarte, dass die New Jersey Devils im Sommer die Jagd auf einen valablen Nr.1-Goalie wieder erneuern. Im ersten Anlauf ist es nicht gelungen und trotzdem scheint das Vertrauen in Akira Schmid und Nico Daws auf dem Tiefpunkt angelangt zu sein, denn ob die Zuzüge von Kahkonen und Allen das Goalieproblem lösen, wird allgemein angezweifelt. Akira Schmid wird den Rest der Saison höchstwahrscheinlich im Farmteam verbringen und seine Karten für Vertragsverhandlungen haben sich markant verschlechtert. Für Ludovic Waeber ist der Wechsel zu den Pittsburgh Penguins wenigstens theoretisch eine kleine Verbesserung, denn ich beurteile die Goaliepipeline bei den Penguins als weniger hochkarätig als diejenige der Panthers. Das Probem ist aber, dass sich Waeber bis jetzt in Nordamerika keinesfalls in den Vordergrund gespielt hat. Aus heutiger Sicht ist es am wahrscheinlichsten, dass Waeber seine Nordamerika-Zelte Ende Saison abbrechen wird.

Noch ein Wort zu Sidney Crosby: 

Die Pittsburgh Penguins haben im Sommer mit dem Zuzug des alternden Starverteidigers Erik Karlsson noch einmal versucht, mit dem Nucleus um die älteren Stars Crosby, Malkin und Letang, einen letzten Angriff auf den Stanley Cup zu starten. Nicht überraschend sind sie damit gescheitert und der Trade des Superscorers Guentzel zeigt deutlich auf, dass sich die Pittsburgh Penguins nach der bisher enttäuschenden Saison jetzt im Rebuild-Modus befinden. Dies befeuert Spekulationen betreffend die Zukunft von Sidney Crosby. Allgemein wird erwartet, dass der sich nach wie vor in Topform befindende Crosby früher oder später zu einem Cup-Favoriten getradet wird, so dass er im Spätherbst seiner Karriere noch einmal die Chance hat, den Stanley Cup zu gewinnen; dies aber nicht mehr in Pittsburgh.

Thomas Roost ist seit 1996 NHL-Scout für den Central Scouting Service und verfolgt die beste Liga der Welt hautnah.
Für MySports ist Roost als NHL-Experte & Co-Kommentator im Einsatz.
In seiner wöchtenlichen Kolumne «Roosts Ramblings» schreibt er über Themen aus der NHL und der grossen Hockey-Welt.

https://www.thomasroost.com I Twitter: @thomasroost

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