Aus welchen Ländern stammen die 169 besten U23-Spieler?

Wie in jedem Jahr liest und analysiert Thomas Roost die Liste mit den besten U23-Eishockeyspielern der Welt. Auch alljährlich ist er von der Ausbeute nicht zufrieden und äussert Kritik zur Qualität der Nachwuchsförderung in der Schweiz. Mehr Details liest du in seinem neuesten Blog.

Alle Jahre wieder, «same procedure as every year, James…” veröffentlicht die angesehene Hockey-Plattform «The Athletic», Autor Corey Pronman, eine Liste mit den besten U23 Eishockeyspielern der Welt. Alle Jahre wieder erlaube ich mir, daraus ableitend eine entsprechende Analyse zu präsentieren und alle Jahre wieder provoziert dieses Ranking bei mir Kritik an der Qualität der Nachwuchsförderung in der Schweiz. Mir scheint, Genügsamkeit ist angesagt. Der stabile Erhalt der höchsten Stufe bei den U20- und U18-Leistungsklassen und vereinzelt nur knappe Niederlagen gegen die Weltbesten werden als Erfolg verbucht. Dies, obwohl seit Jahren mit dem Fehlen der Russen die Türe für einen Erfolg jenseits der Viertelfinals deutlich weiter offen steht, als in «normalen» Jahren. Ok, diese Resultate sind ganz bestimmt keine Katastrophe, aber wenn wir den Anspruch haben – und diesen Anspruch müssen wir haben – zur Weltspitze aufschliessen zu wollen, oder wenigstens den Rückstand auf die Weltspitze spürbar zu verringern, sowie andere «kleine Nationen» in Schach halten zu wollen, dann sprechen die nachfolgenden Zahlen Bände: Wir haben ein Problem!

Jetzt aber der Reihe nach (ich verzichte bei dieser Betrachtung auf die Zahlen der nordamerikanischen Übermacht (Kanada und USA) und beschränke mich auf Vergleiche mit den europäischen Nationen):

 

Anzahl U23-Spieler in den Top 169:    Anzahl lizenzierte Junioren:
Quelle The Athletic, Corey Pronman      Quelle IIHF
 

Schweden (21)                                          43’759

Russland (17)                                             81’536

Finnland (8)                                               35’457

Slowakei (6)                                               8’866

Tschechien (4)                                          23’752

Deutschland (4)                                        13’500

Österreich (3)                                            3’339

Schweiz (1)                                                16’098

Lettland (1)                                                 8’392

Unser Rückstand auf die Weltspitze wird immer mal wieder mit der geringeren Anzahl an Junioren erklärt, was auf den ersten Blick im Vergleich mit Russland, Schweden, Finnland und Tschechien auch stimmt, trotzdem aber in eine vernebelnde Irre führt. Es gilt, kritische Fragen zu stellen:

1.    Wieso haben die Schweden bei nur knapp 3x so vielen Junioren 21 Spieler in dieser Rangliste und wir nur einen?
2.    Wieso haben die Finnen bei nur doppelt so vielen Junioren 8x mehr Spieler in diesem Ranking?
3.    Wieso stellt Deutschland 4 Spieler und wir nur einen, obwohl wir mehr lizenzierte Junioren in der Schweiz haben?
4.    Wieso stellt die Slowakei 6 Spieler in dieser Tabelle und wir nur einen, obwohl die Schweiz gemäss IIHF doppelt so viele lizenzierte Junioren beheimatet?
5.    Wieso steht Oesterreich mit nur einem Fünftel Anzahl Junioren vor uns in diesem aktuellen Ranking?

Ok, diese nackte Zahlenspielerei macht für eine kritische Provokation nur wenig Sinn, wenn z.B. unser Lian Bichsel in der Rangliste unter den Top 10 erscheint und die vier Deutschen in der Rängen zwischen 120 und 169. Aber ist dem so?
 

Die Deutschen stellen mit Tim Stützle (Nr. 3!) und Moritz Seider (Nr. 8!) zwei Top10-Spieler und präsentieren zudem  J.J. Peterka (Nr. 40) und Lukas Reichel (Nr. 86). Die Schweiz? Lian Bichsel (Nr. 74). Oesterreich? David Reinbacher (Nr. 47), Marco Rossi (Nr. 58) und Marco Kasper (Nr. 77). Die Slowakei? Juray Slafkovsky (Nr. 20), Simon Nemec (Nr. 39), Samuel Honzek (Nr. 61) und Dalibor Dvorsky (73), d.h. alle 4 Slowaken sind vor unserem einzigen in dieser Liste auftauchenden Spieler, Lian Bichsel (Nr. 74) gelistet.

Eine Detail-Interpretation dieser Fakten erübrigt sich, auch bei dieser Betrachtung schauen wir Schweizer im Vergleich zur Slowakei, den Deutschen und den Oesterreichern schlecht aus. Wichtig zu wissen, diese schwache Ausbeute ist ein «Dauerbrenner». Seit Jahren publiziere ich diese Auflistung und muss im Vergleich mit anderen kleinen Nationen immer wieder Ernüchterung feststellen, ganz zu schweigen im Vergleich mit den grossen Hockeynationen. In unserer Hockeyschweiz wird dies aber kaum je gross diskutiert, ja, gefühlt, sogar fast totgeschwiegen. Dies finde ich sehr schade. Wir sollten das Selbstbewusstsein aufbringen, uns diesen für uns unschönen Fakten zu stellen, uns selbstkritische Fragen stellen, uns diesbezüglich messbare ehrgeizige Ziele setzen und falls diese Ziele nicht erreicht werden, Konsequenzen ziehen, die Ausbildungsstrategie anpassen, Innovation fördern und auch den Mut haben, ungewöhnliche Wege zu gehen, so ganz nach dem Motto «Try and Error». Ich habe fertig… Nein, ich habe noch nicht fertig:

Dies sind gemäss Corey Pronman die Top10 U23-Spieler im Welteishockey

1.     Connor Bedard, Kanada, Forward, Chicago Blackhawks
2.    Jack Hughes, USA, Forward, New Jersey Devils
3.    Tim Stützle, Deutschland, Forward, Ottawa Senators
4.    Adam Fantilli, Kanada, Forward, Columbus Blue Jackets
5.    Leo Carlsson, Schweden, Forward, Anaheim Ducks
6.    Matvei Michkov, Russland, Forward, Philadelphia Flyers
7.    Luke Hughes, USA, Defender, New Jersey Devils
8.    Moritz Seider, Deutschland, Defender, Detroit Red Wings
9.    Dylan Cozens, Kanada, Forward, Buffalo Sabres
10.  Wyatt Johnston, Kanada, Forward, Dallas Stars